In der Bamberger Kommunalpolitik schmückt man sich mit jeder Neuansiedlung. Vor einer unbequemen Wachstumsdebatte drückt man sich.
Über die Schule der Bundespolizei auf dem Konversionsgelände hat man sich gefreut, um das Landesamt für Pflege hat man sich bemüht, ein neues Ausbildungszentrum der Handwerkskammer soll im Süden neu gebaut werden, gleich in der Nähe ein neues Polizeigebäude, der Firma Brose hat man 2012 nachgerade einen Rosenteppich als Willkommen ausgerollt. Und das MUNA-Gelände im Hauptsmoorwald wollte man roden, um – ja, um neue Firmen (welche auch immer) hier anzusiedeln.
Wachstum, Ausbau des Wirtschaftsstandorts, Aufwertung der Stadt – die Stichworte lauten: Mehr! Größer! Weiter! Wer ein „Stopp!“ oder auch nur ein „Moment mal“ einwirft, wird schnell als zurückgebliebener Verhindermeier abgetan.
Doch genau diese Frage müssen wir uns stellen: Wollen wir wachsen? Und wenn ja, wie?
Bamberg gilt als Schwarmstadt: Viele Menschen wollen hier wohnen, allein nur deshalb, weil Bamberg eine lebenswerte Stadt ist. Neue Ansiedlungen und Arbeitsplätze bringen noch zusätzliche Leute. Diese wollen wohnen und ihre Kinder zur Schule schicken, brauchen einen Kita-Platz, bewegen sich in der Stadt fort, verursachen also Verkehr, sorgen für Flächenversiegelung und Naturverbrauch, haben kulturelle Bedürfnisse, belegen Behandlungstermine bei Ärztinnen und im Krankenhaus, und irgendwann Pflegeplätze. All das muss mitgedacht werden, wenn eine Stadt wächst. Und genau das wird in der Bamberger Stadtpolitik nicht getan. Bei Ansiedlungen konzentriert man sich auf einen Bebauungsplan oder eine Baugenehmigung, meist ganz nach Gusto des Investors, und damit hat sich das Ganze auch schon. Als würde sich der Rest einfach von selbst regeln. Tut er aber nicht. Das merken die Eltern, die einen Kita-Platz suchen, die Schulleitungen, denen die Klassenzimmer für die vielen Kinder fehlen, der Kranke beim langen Warten auf einen Facharzttermin, die pflegende Tochter, die für Oma oder Opa keinen Kurzzeitpflegeplatz bekommt. Auf dem Wohnungsmarkt steigen die Mietpreise. Während Immobilienbesitzerinnen immer mehr Reibach machen, findet ein sozialer Verdrängungswettbewerb statt. Der im Übrigen von der Stadtspitze nicht ungern gesehen wird, denn auf Hartz IV-Bezieher*innen im Bevölkerungsportfolio ist man im Rathaus eher nicht scharf. Und auch in Arztpraxen, bei der Konkurrenz um Pflege- oder Kita-Plätze werden die Finanzschwachen von den besser Betuchten leicht ausgestochen. Eine soziale Schieflage macht sich breit, auch durch das wachstumsbedingte Missverhältnis von Angebot und Nachfrage.
All das müsste die Kommunalpolitik debattieren, zuvor wahrnehmen – und vor allem ihre Zuständigkeit dafür erkennen. Aber Oberbürgermeister und Stadtrat sind zufrieden damit, sich bei jeder Neuansiedlung selbstgerecht ein neues Fleißsternchen zu verleihen.
Eine wachstumskritische Haltung bedeutet nicht von vornherein, dass man Wachstum ganz verteufelt. Unternehmen, die sich ansiedeln wollen, können Werkswohnungen bauen, Betriebskindergärten einrichten und über verpflichtende Jobtickets Mobilität verträglich gestalten. Über eine Kooperation mit dem Landkreis können Ansiedlungsflächen sinnvoll und naturschonend geplant werden, auch Wohnen im Landkreis kann attraktiv sein. Dann braucht es aber ein gut ausgebautes ÖPNV-Netz und einen digitalen Netzausbau. Hier muss Politik aktiv werden und nicht einfach nur zusehen, was halt so passiert.
Und warum sitzt die Stadtspitze eigentlich immer nur bräsig an Verhandlungstischen, während etwa die Bundespolizei mit ihrem Ausbildungszentrum unfassbar verschwenderisch die Riesenflächen der Warner Barracks belegt? Bus chartern, mit dem gesamten Stadtrat nach Berlin fahren, sich vor dem Innenministerium von Horst Seehofer an den Zaun ketten und klar fordern: Macht Platz! Gebt Flächen und Gebäude frei!
Und ja, Politik sollte auch den Mut fassen, ab und an zu sagen: „Das nicht mehr – das ist zu viel!“
sys
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