gaz 90 - Feb./März 2020 Kommunalwahl

Verkehr? Mobilität!

Bamberg ist in den letzen Jahren von 70.000 auf nun beinahe 80.000 Menschen stark gewachsen. All diese Menschen wollen (oder müssen) sich bewegen und so ist auch der Kfz-Bestand in der Stadt dramatisch um mehrere tausend Fahrzeuge angestiegen. Doch bedeutet mehr Autoverkehr mehr Mobilität? Ganz im Gegenteil! Regelmäßig wird in vielen Straßen Bambergs der Grundgedanke von Mobilität durch das kollektive Stau-Erlebnis ad absurdum geführt, während man durch die Windschutzscheibe mal wieder auf ein Standbild schaut.

Ungleicher Platzbedarf
Die durchschnittliche Fahrzeugauslastung beträgt in Deutschland 1,3 Personen/Kfz bei einem Platzbedarf von 12 qm im ruhenden Zustand. Zum Vergleich: Ein Fahrrad transportiert in der Regel eine Person bei einem Platzbedarf von 1,2 qm. Ein Bus benötigt für bis zu 80 Personen 32 qm. 
Manche sagen nun, dass es bei mehr Verkehr dann eben neue Straßen und Parkplätze braucht. Hier aber gilt der planerische Grundsatz: Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten. Wer jedoch beim Busverkehr in Netz und Taktung investiert und gleichzeitig den Fahrpreis senkt, bekommt einen attraktiven und gut genutzten öffentlichen Nahverkehr. Wer gute und sichere Radwege baut, bekommt einen noch höheren Radverkehrsanteil und bringt auch die Menschen aufs Rad, die es sich bisher nicht getraut haben. Und wer die Aufenthaltsqualität in einer Straße erhöht und dort Barrierefreiheit schafft, wird dafür sorgen, dass die Menschen dort gerne zu Fuß unterwegs sind (und einkaufen).

Innenstadt autofrei
Das ist jetzt alles nichts umwerfend Neues, denn schon viele Städte sind diesen Weg erfolgreich gegangen: Das spanische Pontevedra (80.00 Einwohnerinnen) beispielsweise hat bereits vor zwanzig Jahren den motorisierten Verkehr weitgehend aus der Innenstadt verbannt. Die Grundregeln sind einfach: Zufußgehende haben immer Vorrang. Am zweitwichtigsten sind die Radfahrenden, erst dann kommen motorisierte Fahrzeuge, die auch nur höchstens 30 Stundenkilometer schnell sein dürfen. Und es funktioniert. Die Ladenbesitzerinnen, die anfangs gegen die Einrichtung der autofreien Zone protestiert hatten, beruhigten sich schnell: Denn entgegen den Befürchtungen stiegen ihre Umsätze. Die Altstadt ist seitdem eine Bummelzone geworden, die mit Straßencafés zum Verweilen einlädt. Nun kommen entspannte Kund*innen zu Fuß oder mit dem Fahrrad – und geben mehr Geld aus.
Und das ist nur ein Beispiel von vielen. Weltweit machen sich Städte auf den Weg, eine andere Mobilität zu organisieren. In keiner dieser Städte wünschen sich die Menschen den vorherigen Zustand zurück. Oder würden wir wollen, dass in Bamberg wieder tausende Autos durchs Alte Rathaus, über den Grünen Markt oder durch die Sandstraße fahren? Dieser erfolgreiche Weg hin zu einer lebenswerten Stadt ist allerdings noch lange nicht zu Ende gegangen, denn für eine echte Verkehrswende muss Platz und Geld zur Verfügung stehen.

Ungleiche Finanzen
Beinahe reflexartig tauchen dann immer wieder die gleichen Fragen auf: Wo soll das Geld herkommen, wo soll der Platz her­kommen und was ist mit den Menschen, die aufs Auto angewiesen sind? Das Geld ist vorhanden, es wird jedoch hauptsächlich für die automobile Infrastruktur ausgegeben (z.B. Buger Brücke). Der Platz ist da, er wird jedoch hauptsächlich dem Auto zur Verfügung gestellt. Und wenn mehr Menschen sich mit Bus oder Fahrrad fortbewegen, dann werden die Straßen freier, so dass auch in Zukunft Platz für diejenigen sein wird, die auf das Auto angewiesen sind.
Wir wollen, dass die Menschen mobil sind und gleichzeitig wollen wir die negativen Auswirkungen des Verkehrs reduzieren. Gelingen wird uns dies mit dem Regionalen Omnibusbahnhof, dem Bürger- und Kurzstreckenticket, eng ge­takteten elektrischen Kleinbussen, insbesondere in der Insel- und Bergstadt, dem massiven Ausbau der Rad­wege, der flächendeckenden Barrierefreiheit für die Menschen zu Fuß und einer Innenstadt, die – gerade weil es mit uns ein gutes Mobilitätsangebot gibt – dann weitestgehend vom Auto befreit sein wird, d.h. nur noch den Anwohner-, Handwerker- und Lieferverkehr sowie Ausnahmen für mobilitätseingeschränkte Personen zu­lässt.
Es braucht nicht immer neue Pläne, Gutachten, Zählungen oder Konzepte. Nein, es braucht den verkehrspolitischen Willen, eine zukunftsfähige Mobilität zu organisieren, die den Menschen und seine Umwelt in den Mittelpunkt stellt. Es braucht den Willen zur Verkehrswende. Lassen Sie uns also den Mut haben, nicht immer nur Bedenken vor uns herzutragen, sondern Din­ge aus­zuprobieren. Denn weniger Verkehr bedeutet mehr Mobilität.

Christian Hader (Listenplatz 4)
initiierte den Radentscheid Bamberg und
ist Vorstandsmitglied des ADFC Bamberg

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