Grüne warnen angesichts klimapositiver Alternativen vor Planungen von Verbrennungsanlagen für Klärschlamm. Die Kommunalpolitiker sprechen von einem bundesweiten Klima-Skandal bei der zukünftigen Klärschlammentsorgung.
Bei einer öffentlichen Veranstaltung mit fünf Expert:innen und zahlreichen Gästen wurde deutlich, dass die aktuellen politischen Rahmenbedingungen festlegen, dass in Zukunft jährlich mehr als eine Million Tonnen CO2 durch die Verbrennung von Klärschlämmen emittiert werden. Obwohl es funktionierende Verfahren wie beispielsweise die Pyrolyse gäbe, welche sogar klimapositiv wirken und teils deutlich günstiger sind. „Während wir an allen Ecken und Enden versuchen müssen, weniger CO2 auszustoßen, blockierte die alte Bundesregierung klimafreundliche Klärschlammverwertungsmaßnahmen“, stellen Thomas Ochs und Andreas Eichenseher fest. Die beiden Grünen-Politiker befassen sich als Verbandsräte des Müllheizkraftwerks Bamberg mit der Klärschlammverwertung und luden zur Diskussionsrunde am 16. September. Zwei Kernforderungen wurden an diesem Abend im Dialog mit den Betreibern von Pyrolyse-Anlagen, einem Landtagsabgeordneten und Umweltschützern entwickelt: „Es braucht mehr Zeit als aktuell vorgegeben, und es braucht eine ehrliche Anpassung der Düngemittelverordnung.“
Dr. Steffen Heinrich, Geschäftsleiter des Zweckverbands Frohnbach im sächsischen Landkreis Zwickau, zeigte, wie es schon jetzt geht. In Eigenregie entwickelte er mit seinem Team eine Pyrolyse-Anlage, die nun seit fast zwei Jahren in Betrieb ist. Die Anlage kommt ohne Zufuhr von Primärenergie aus. Anstatt den Klärschlamm aber konventionell zu verbrennen, wird der getrocknete Schlamm karbonisiert und dadurch zu „Biochar“, einem qualitativ hochwertigen Düngemittel. „Der Großteil des im Klärschlamm enthaltenen Kohlenstoffs entflieht also nicht als CO2 in die Atmosphäre, sondern verbleibt für Jahrhunderte in der Erde“, macht Dr. Heinrich deutlich. „Zudem wirkt die Pflanzenkohle humusbildend und beschleunigt biologische Prozesse“, ergänzt er. „Zwar können wir durch den sehr heißen und intensiven Pyrolyseprozess alle Kunststoffpartikel, synthetischen Polymere, Arzneimittelrückstände und sonstige giftigen organische Substanzen vollständig entfernen und den Schwermetallgehalt auf ein äußerst niedriges und ungefährliches Niveau bringen. Dennoch sieht die Düngemittelverordnung eine Zulassung von umweltfreundlichem „Biochar“ aus Pyrolysegranulat als Düngemittel nicht vor.“ Seit Jahren versucht Dr. Heinrich klarzumachen, dass es keine vernünftigen Gründe gibt, dieses Produkt nicht zuzulassen. Doch das Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung zeigt sich stur, erwirkte sogar auf EU-Ebene, dass es Pflanzenkohle aus der Pyrolyse schwer hat.
Das Unternehmen Pyreg versucht ebenfalls solche Anlagen zu vertreiben, biss bei den deutschen Behörden aber bislang auf Granit. Nun wurde eine Anlage in Schweden in Betrieb genommen. Wie sinnvoll diese alternativen Verfahren aus Sicht des Klimaschutzes sind, verdeutlicht Vertriebsleiter Marcel Rensmann. „Mit unserer kleinen Anlage können 1.500 Tonnen getrockneter Klärschlamm im Jahr verarbeitet werden. Dabei wird so viel Kohlenstoff langfristig gebunden, wie durch 42 Hektar Wald.“
„Technisch wären also klimafreundliche und wirtschaftliche Verfahren vorhanden“, stellen Ochs und Eichenseher fest. „Doch die Gutachten, die Land auf und Land ab für Kläranlagenbetreiber und Kommunen erstellt werden, raten fast ausnahmslos zur konventionellen, doch teureren Klärschlammverbrennung. Obwohl selbst bei der Verbrennung noch nicht abschließend geklärt ist, wie der Phosphor aus der Asche gewonnen werden kann“, mahnen die Kommunalpolitiker.
Waltraud Galaske vom Bund Naturschutz in Bayern stellt heraus, dass viele zusätzliche neue Mono-Verbrennungsanlagen in Bayern geplant sind. „Insgesamt sollen darin ab spätestens 2032 jährlich ca. 232.000 Tonnen Klärschlamm verbrannt werden, mit entsprechend hohen CO2-Emissionen. Auch im Kohlekraftwerk Zolling sind zusätzliche 30.000 Tonnen KlärschlammMitverbrennung geplant, obwohl wir doch eigentlich schon 2030 aus der Kohle aussteigen sollten!“, mahnt sie. „Besonders eklatant: die aktuellen Pläne der Staatsregierung würden, zusätzlich zu den schon bestehenden Anlagen, eine enorme Überkapazität an Verbrennungsmöglichkeiten bedeuten.“ Ihr Kollege Peter Hirmer schlussfolgert: „Wir brauchen ein Moratorium, was die künftige Klärschlammverbrennung angeht. Erst muss überregional und objektiv ein vernünftiger und klimafreundlicher Plan stehen, dann kann Druck auf die Kläranlagenbetreiber ausgeübt werden, diesen zu erfüllen.“ Aktuell müssen Kläranlagen schließlich bis spätestens 2023 darlegen, wie sie künftig mit Klärschlamm umgehen wollen.
Die Idee eines Moratoriums unterstützt auch Christian Hierneis, Landtagsabgeordneter und umweltpolitischer Sprecher der Grünen Fraktion im Bayerischen Landtag. „Das Thema Klärschlammverwertung ist äußerst wichtig, aber findet leider in der Öffentlichkeit bis dato nicht statt. Daher gibt es auch im Landtag keine Expertise dazu, die Verbrennungslobby hat es da sehr einfach, ihre Wunschvorstellungen durchzusetzen“, erklärt er.
Mit einem Offenen Brandbrief wollen Eichenseher und Ochs nun das Thema in die Köpfe von Politik und Gesellschaft bringen. Nicht nur in Bamberg gibt es derzeit aktive Bewegungen gegen Verbrennungspläne. Auch aus beispielsweise Würzburg und Ingolstadt nahmen Vertreter:innen an der Diskussion teil. Der Offene Brief kann ab Mitte Oktober online unterzeichnet werden.
Andreas Eichenseher und Thomas Och
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