Müll

„Bamberg plastikfrei“: Darum sind die Plastik-Vorstöße der SPD- und CSU-Kandidaten keine guten Ideen

[Kommentar] Ja, Deutschland hat ein Plastikproblem. Wir sind in vielen Teilen zu abhängig von erdölbasierten Produkten. Wir belasten Böden, Gewässer und uns selbst mit Mikroplastik. Und wir recyceln nur einen Bruchteil des Plastikmülls, exportieren dafür jedes Jahr mehrere Millionen Tonnen Plastikmüll ins Ausland, vor allem nach Asien – nur Japan und die USA exportieren noch mehr. Keine Frage, wir müssen handeln und Plastik – insbesondere Einwegplastik – deutlich reduzieren.

Es ist gut, dass diese Erkenntnis endlich – wenn auch ausgerechnet ein halbes Jahr vor der Kommunalwahl – bei Vertretern anderer Parteien in Bamberg ankommt. Wirklich. Doch wie ernst kann man die Vorschläge von Oberbürgermeister Starke (SPD) und Bürgermeister Lange (CSU) nehmen? Und bringen sie tatsächlich etwas für den ökologischen Fußabdruck Bambergs?

Bamberg plastikfrei – oder doch nicht?

Oberbürgermeister Starke startet in diesen Wochen die Kampagne „Bamberg plastikfrei“ – und stiftet gleich mit der ersten Mitteilung Verwirrung. Lobend erwähnt der Oberbürgermeister dort nämlich das Mehrweggeschirr des Umweltamts. Woraus dieses aber besteht? Genau: aus Plastik. Vorbildlich ist natürlich auch das von GRÜNEN und CHANGE e.V. initiierte Mehrwegsystem für Getränkebecher „Bambecher“. Woraus die Becher bestehen? Na? Aus Plastik. Positive Worte findet er auch über die Arbeitsgruppe Nachhaltigkeit der Universität Bamberg. Das stimmt, denn mit Plastik hat sich diese Gruppe bislang nicht auseinandergesetzt – ist also noch plastikfrei. Okay, „Bamberg plastikfrei“ klingt also erstmal ganz gut, ist aber eigentlich gar nicht das, was der Oberbürgermeister meint. Ist auch nicht weiter schlimm, denn erstens ist Plastik manchmal echt hilfreich, um als Mehrwegprodukt riesige Mengen Einwegverpackungen zu sparen. Und zweitens, wer nimmt einen Oberbürgermeister schon beim Wort..?

Gut gemeint, aber leider unnötig

Widmen wir uns also der Frage, was diese neue Initiative tatsächlich bringen könnte. „Bamberg plastikfrei“ wird zum Beispiel eine eigene Website bekommen. Dort soll insbesondere eine Art Nachhaltigkeitsatlas für Bamberg erscheinen. Klingt zunächst auch gut. Wären da nicht drei Bamberger Vereine und Initiativen, die aktuell genau dies umsetzen – sowohl offline als auch online.

Okay, na gut. Und sonst? Bei Besprechungen in der Stadtverwaltung soll künftig ausschließlich aus Glas getrunken werden, nicht aus Plastik. Okay. Ein kleiner Schritt vorwärts. Den Schritt zurück liefert man allerdings postwendend. Weiter heißt es nämlich, „dabei ist auch darauf zu achten, dass evtl. erforderliche Wegwerfbehältnisse aus umweltfreundlichem Material sind.“ Es bleibt dann also doch bei Einwegbechern am Trinkwasserspender – willkommen im Jahr, äh, 2004?

Na gut, ansonsten will man Einweggeschirr künftig aber nicht mehr verwenden, heißt es weiter. Das würde die EU in Kürze aber sowieso nicht mehr erlauben. Wirklich gut ist hingegen, dass man auf Plastiktüten, Tetrapaks, Give aways aus Plastik oder Plastikverpackungen verzichten will. Ja, gut so. Okay, auch das hätte man natürlich schon früher machen können. Beispielsweise 2015, als man endlich – nachdem man Jahre zuvor einen entsprechenden GAL-Antrag ablehnte und mittlerweile Druck aus der Zivilgesellschaft kam – dem Antrag auf nachhaltige Beschaffung in der Stadtverwaltung zustimmte. Nur, seither ist leider nicht viel passiert. Daher wird die „Nachhaltige Beschaffung“ jetzt auch wieder als neu verkauft und taucht als weitere Maßnahme von „Bamberg plastikfrei“ auf.

Aber vielleicht kommt ja der große Wurf noch mit einer der folgenden Maßnahmen. Vielleicht. Da wäre etwa das Label „Bamberg plastikfrei“, das sich Geschäfte an die Eingangstüre kleben können. Dadurch sollen Bürger*innen schnell erkennen, wo sie plastikfrei, pardon, verpackungsfrei einkaufen können. Prinzipiell sinnvoll. Wobei… Im GRÜNEN Wahlprogramm wäre ein besserer Vorschlag, nämlich ein Label mit dem Zweck „Mehrweg-Vorteil“. Daran erkennen Bürger*innen, dass sie bei einem Einkauf mit eigenen Mehrwegverpackungen (Taschen, Boxen, etc.) irgendeine Form von Rabatt, Geschenk oder sonstigem Vorteil gewährt bekommen. Hier würde also die Information mit dem direkten Anreiz kombiniert werden. Umweltfreundliches Handeln würde belohnt und der Verpackungsmüll weniger. Gut, oder? Ja. Der Auftrag an die Stadtverwaltung lautet nun aber leider anders.

Unterm Strich bleibt wenig. Die Kampagne „Bamberg plastikfrei“ scheint dem Oberbürgermeister eher als vermeintlich grüner Anstrich seines Rathaussessels zu dienen. Und man fragt sich, ob der CSU-Oberbürgermeisterkandidat mit seinem jüngsten Vorschlag vielleicht dasselbe im Sinn hatte. Achtung, Spoiler: Ja.

Der Pyrrhus-Sieg am Grünen Markt

Dr. Christian Lange (CSU) teilte kürzlich mit, dass er die Marktkaufleute des Bamberger Hauptmarkts davon überzeugt haben will auf Plastiktüten „weitestgehend“ zu verzichten. So so? Er habe die Marktkaufleute konkret gefragt, worüber man sich sehr gefreut und dem Ansinnen entsprochen habe. A ha. Das Ergebnis: die Marktleute verpflichten sich, Plastiktüten zu bepreisen und verstärkt Einwegtüten aus Papier für die Verpackung von Obst und Gemüse zu verwenden.

Auch das klingt erst einmal gut. Aber wir schauen genauer hin. Papiertüten sind in der Herstellung deutlich energieintensiver als Plastiktüten und deshalb – wenn man sie nur ein- oder zweimal verwendet – klimaschädlicher als die Plastiktüte. Deshalb lautet die Lösung des Problems auch hier nicht „plastikfrei“, sondern „Mehrweg statt Einweg“. Eine umweltpolitisch wirklich kluge Maßnahme wäre also gewesen, mit den Marktkaufleuten über eine Initiative zur Förderung von Mehrwegtaschen zu sprechen. Aber, hey, wer käme denn bitte auf so eine Idee?

Nun ja, neu ist diese Idee nicht. Anfang Juli hat die Initiative Bambecher genau darüber mit den Marktkaufleuten gesprochen und die Ergebnisse sowie einen entsprechenden Vorschlag online veröffentlicht. #WerGooglenKannIstKlarImVorteil. Ach so, im GRÜNEN Wahlprogramm findet sich die Idee ebenfalls wieder.

Man möge den genannten SPD- und CSU-Kandidaten einfach nur eines mit auf den Weg geben: Wer GRÜN kopiert, sollte nicht nur Überschriften lesen.

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