Bahnausbau

Bahnausbau als Chance begreifen und ergreifen

Bei der Sondersitzung des Bamberger Stadtrats zum Bahnausbau formulierte der Sprecher für Grünes Bamberg, Christian Hader, die Position der Fraktion. Hier seine Rede im Wortlaut.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

Experten warnten im 19. Jahrhundert, dass Menschen ernsthaft Schaden nehmen, wenn sie mit der Eisenbahn schneller als 30 km/h fahren. „Delirium furiosum“ nannte man das durch die Nutzung potentiell entstehende Krankheitsbild. Die Skepsis vor dem Verkehrsmittel Bahn ist erfreulicherweise gewichen. Eine gute Portion Skepsis vor den Plänen der Deutschen Bahn für Bamberg aber scheint dafür umso wichtiger.

Lassen Sie mich im Vorfeld in aller Deutlichkeit sagen: Als Grünes Bamberg sind wir der Überzeugung, dass der Nutzen des Bahnausbaus deutlich größer als der Schaden sein wird – wenn wir es jetzt richtig angehen. Erstmaliger Lärmschutz, neue Perspektiven bei der Stadtentwicklung und neue Wege bei der Mobilitätsplanung sind dabei nur einige Faktoren. In diesem Zusammenhang danken wir Ihnen Herr Beese, Ihnen Herr Reinhardt und der gesamten mit dem Bahnausbau betrauten Verwaltung für Ihr Engagement, Ihre Ideen und die heute zum Beschluss vorliegenden Einwendungen der Stadt Bamberg. Auf einige davon möchte ich eingehen:

  • Eine ebenso neue wie grandiose Überlegung ist die des sog. Gleispark Bamberg südöstlich der Pfisterbrücke. Es macht aus unserer Sicht absolut Sinn, solche Flächen die jetzt schon durch einen hohen Grünanteil geprägt sind nicht nur zu erhalten, sondern weiter zu stärken. Attraktive Fuß- und Radwegeverbindungen, Sport-, Erholungs- und Freizeitmöglichkeiten sowie eine naturnahe Gestaltung mit neuen Lebensräumen für Mensch und Natur sind für das gesamte Areal ein Gewinn. Der ortsansässige ETSV und die Kleingartenanlagen sollten selbstverständlich in die Überlegungen einbezogen werden.
  • Eine weitere richtig tolle Sache ist die neue Fuß- und Radwegbrücke Gundelsheimer Straße. Hier wird nicht nur eine historische Wegverbindung im Bamberger Norden wiederhergestellt, hier werden insbesondere auch der Fuß- und Radverkehr fernab von den Hauptverkehrsstraßen sicher und zügig aus Richtung Kramersfeld in die Stadt geführt. Diese zukünftige Route wird uns als Stadt helfen, unsere klima- und verkehrspolitischen Ziele zu erreichen und sie wird den Menschen helfen, nicht nur öfter mal aufs Rad zu steigen, sondern das auch sicher, entspannt und ohne Abgase zu tun.
  • Beim Regionalen Omnibusbahnhof ROB sieht es so aus, als würde ein Projekt auf die Zielgerade einbiegen, für das sich eine ganze Generation meiner Fraktion leidenschaftlich, über viele Jahre und gegen viele Blockaden eingesetzt hat. Wir wünschen uns in diesem Zusammenhang für die detaillierte ROB-Planung, dass der Erhalt aller schützenswerten Gebäude im Bahnhofsbereich ernsthaft geprüft wird, da Denkmalschutz und die Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs keinen Gegensatz bilden sollten und nach unserer Überzeugung hier auch nicht müssen. Hinsichtlich der ROB-Fläche aber hat die Bahn tatsächlich in einem der Beteiligungsgespräche Beweglichkeit signalisiert. Hieß es bisher wegen der angedachten Baufläche immer (im Übrigen sogar hier im Stadtrat): „geht nicht“, heißt es jetzt dank hartnäckigem Intervenieren wieder einmal: „geht nicht gibt’s nicht“. Wenn die Bahn also sagt, dass ein ROB auch unabhängig von der Zollnerunterführung realisiert werden kann, falls die Stadt eine alternative Baufläche zur Verfügung stellt: Worauf warten wir dann noch? Bieten wir der Bahn eine solche Fläche zeitnah an und sorgen so ebenso zeitnah endlich für eine bessere Verknüpfung des Stadt- Umland- Verkehrs, indem wir den ROB realisieren.

Das war nun ein Teil der Gesamtbetrachtung. Allerdings tun sich die meisten direkt betroffenen Bürgerinnen und Bürger mit dieser Gesamtbetrachtung schwer. Das ist verständlich, denn etwas überspitzt formuliert 10 Jahre Baustelle, statt Rosenbeet der Bagger im Garten und am Ende eine Mauer vor dem Wohnzimmerfenster lassen die individuellen Herausforderungen, vor welche die Menschen beim Bahnausbau gestellt werden, in den Vordergrund rücken.

  • Im Fokus stehen dabei z.B. die Lärmschutzwände, deren Höhe und deren Gestaltung. Bei der Höhe ist es mehr als bedauerlich, dass nun wieder sukzessive halber Meter für halber Meter auf die einst zugesagte Deckelung aufaddiert wird. Ob es dabei im Bereich der Rangiergleise am Lokschuppen wirklich 5 Meter sein müssen, bezweifeln wir stark. Am Ende wird es hier und auch andernorts ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Lärmschutz und Stadtverträglichkeit sein müssen. Dass es auch noch unausgeschöpfte Möglichkeiten im Bereich des innovativen Lärmschutzes gibt, wurde zwischenzeitlich auch oft genug erwähnt. Da es bei der Ausführung des Lärmschutzes am Ende aber vor allem auf dessen Gestaltung ankommen wird, ist der Gestaltungswettbewerb ein Riesenerfolg. Auch ein grüner Erfolg wohlgemerkt, denn es war Kollegin Ursula Sowa, die das mit Vehemenz vorangebracht hat. Liebe Uschi, dafür vielen Dank!

Lassen Sie mich abschließend einige Zuschriften der vergangenen Tage zitieren:
„Wir schöpfen wieder Hoffnung!“
„Danke für Ihre Initiative!“
„Zukunftsweisend!“
„Der Bau einer S Bahn Haltestelle wäre ein Ausschlusskriterium für den Hauskauf.“

Mit dem letzen Zitat habe ich mich natürlich verraten – es geht um den S-Bahn-Halt Süd. An dieser Stelle danke ich meinen Stadtratskollegen aus den verschiedenen Fraktionen für den konstruktiven Austausch im Vorfeld und für das Mittragen der gemeinsamen Initiative. Der Stadtrat hat vor einigen Jahren die damals beste zur Verfügung stehende Standortwahl getroffen. Laut Berechnungen wurde am Standort Nürnberger Straße bzw. Distelweg die größte Frequenz erwartet. Das heißt aber nicht, dass dies heute noch die beste Wahl ist.
Es war zum damaligen Zeitpunkt eben nicht bekannt, dass der neue Polizeistandort mit viel Pendelpotenzial am Tännig gebaut werden wird, es war nicht bekannt, dass das neue Ausbildungszentrum der Handwerkskammer mit viel Pendelpotenzial an der Forchheimer Straße gebaut werden wird. Es war nicht bekannt, dass diese Neuansiedlungen gegebenenfalls einmal in einen Rahmenplan Süd münden werden.
Es handelt sich bei der Schaffung eines zweiten S-Bahn-Halts um eine Entscheidung für die nächsten 100 Jahre und da spricht aus unserer Sicht deutlich mehr für einen Standort südlich der Forchheimer Straße als in der Gereuth. Dort ist es nämlich so, dass auf der Westseite keinerlei infrastrukturelle Anbindung vorhanden und auch nicht geplant ist – ich glaube, das Verkehrschaos kann man sich vorstellen. Die Arena würde zwar indirekt erschlossen, allerdings nur über eine Treppenanlage und somit nicht barrierefrei – in unseren Augen an dieser Stelle eine Fehlplanung, die viele Menschen diskriminieren würde.
Und nicht zuletzt bringen viele Menschen ihren Wunsch nach einer Verlagerung aus den bekannten Gründen sehr klar zum Ausdruck: Der Bürgerverein Wunderburg, der Bürgerverein Gereuth, eine Bürgerinitiative von weit mehr als 10 Familien, und viele weitere. Die Vorteile einer Süd-Verlagerung liegen also auf der Hand, ich gebe aber ganz offen zu, dass es hier nicht nur schwarz und weiß gibt. Für den Standort Gereuth gibt es auch Pro-Argumente.
Was wir aber nicht als Argument gelten lassen werden, ist das Märchen vom drohenden Verlust des S-Bahn-Halts durch jene Süd-Verlagerung. Wenn die CSU-Landesregierung sich blamieren möchte, dann soll sie doch auf dieser Grundlage mit uns verhandeln – das wird sich im Bundestagswahljahr hier vor Ort sicher zu ihrem Vorteil auswirken.
Es geht bei der Standortfrage des S-Bahn-Halts letztlich um eine konkrete Fragestellung: Wollen wir eine Entscheidung aus der Vergangenheit konservieren oder wollen wir eine Entscheidung für die Zukunft treffen? Wir hoffen, dass der hier verantwortliche Freistaat und die Bahn ein offenes Ohr für die Anliegen der Menschen vor Ort haben.

Denn am Ende – und damit komme ich zu meiner eigenen Überraschung schon zum Schluss – ist es eben nicht unsere Aufgabe als Stadtrat die besten Lösungen für den Bund, den Freistaat oder die deutsche Bahn zu zementieren, sondern es ist unser Mandat, die besten Lösungen für die Menschen hier vor Ort zu erreichen. Für diese besten Lösungen wird sich meine Fraktion einsetzen. Diese Lösungen sehen wir in den heutigen Beschlüssen, stimmen diesen gerne zu und werben dafür, heute auch ein Zeichen zu setzen und dies einstimmig zu tun.

Vielen Dank!

(Info: Für eine Verlagerung des S-Bahnhalts südlich der Forchheimer Straße sprachen sich bei der Sitzung die Stadtratsmitglieder von Grünes Bamberg, SPD, BBB, Volt/ÖDP/BM sowie FW und somit eine Mehrheit des Stadtrats aus.)

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