Haushalt

„Der große Wurf fehlt“

…. und er wäre nötig, bei Bamberger Zukunftsthemen wie Klimaschutz und Schulhaussanierung. Die Stadtratsfraktion GRÜNES BAMBERG lehnt den städtischen Haushaltsentwurf für 2020 ab. Fraktionsvorsitzender Wolfgang Grader begründet in seiner Haushaltsrede, warum.

Haushaltsrede zum Haushalt 2020
Wolfgang Grader, Fraktionsvorsitzender GRÜNES BAMBERG

„Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Bürgermeister, sehr geehrter Herr Felix, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren!

„Das Amt für Bürgerbeteiligung, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit lädt ein, am Dienstag 17. Dezember, 15 – 20 Uhr an der Gestaltung der Stadt Bamberg mitzuwirken.“ (Zitatende) Endlich mitbestimmen, endlich Bürgerinnen und Bürger ernst nehmen. Und weiter heißt es auf der Homepage der Stadt Bamberg „Auf dem Hauptfriedhof soll im Frühjahr 2020 ein Baum gepflanzt werden. Die Bürgerinnen und Bürger entscheiden mit ihrer Stimme, ob der Weiße Maulbeerbaum, die Blumenesche oder die Berg- bzw. Scharlachkirsche eingesetzt wird.“
Diese Art von Bürgerbeteiligung ist ein Schlüsselerlebnis – ist das der demokratische Mitbestimmungsprozess, den die Stadt Bamberg wirklich möchte – ist es ein Vorziehen des Aprilscherzes, eine Provinzposse eines OB-Kandidaten?
Wie ernst genommen fühlt sich die Stadtbevölkerung wirklich? Und wenn es erst um die Mitsprache der gesamten Stadtentwicklung geht, um die Schulen, um die Pflegeplätze, um die Kultur, und so fort?

Politik hat viel mit Vertrauen mit Ernstnehmen zu tun. Zahlen spielen hier eine zweitrangige Rolle. Heute sollen sie aber im Mittelpunkt stehen. Und wie wir gehört haben, sind die Investitionen wieder enorm, sogar rekordverdächtig und vieles ist auch lobenswert.
Ja, die Ausgaben für Mittagsbetreuung wurden mehr als verdoppelt.
Ja, die Gelder für Schulen sind in bestimmten Bereichen aufgestockt worden und doch ist von den für die städtische Schulsanierung beantragten notwendigen 1,5 Millionen Euro jeder dritte Euro im Haushalt wieder gestrichen worden. Jeder dritte Euro.

Ich habe leider immer noch das Gefühl, dass eine Aufstockung immer nur der Modernisierung der Toiletten dient. Es ist doch paradox, da lässt sich leichter eine Toiletten-Initiative durchführen und mit zusätzlichen Haushaltsmitteln bedenken, als eine echte Investitionsinitiative für städtische Schulen. Ist doch fast rührend und irgendwie bemüht. Wo ist der große Wurf? Wo erkennen unsere Bürgerinnen und Bürger tatsächlich, ja, dass sich der Stadtrat ernsthaft der städtischen Schulen annimmt und sie als eine der großen Jahrhundertaufgaben ansieht. Wenn dem so wäre, dann würden nicht so viele Briefe von betroffenen Eltern und Schulleitern an die Stadt geschickt werden; dann hätten nicht vorige Woche alle Schülerinnen des Eichendorff-Gymnasiums auf beeindruckende Weise für pädagogische Investitionen demonstriert, die sich jetzt nicht im Haushalt abbilden.

Da heißt es dann, ja, wir haben schon Jahrhundertaufgaben – ich sage nur Stichwort Konversion – ich sage nur Stichwort Bahnausbau. Hier gelingt aber dieser große Wurf – hier werden alle Hebel in Bewegung gesetzt diesen Wurf finanziell und baulich zu stemmen. Hier höre ich selten: mal sehen, ob Handwerker und Firmen überhaupt zu bekommen sind. Bei Konversion und jetzt auch beim Bahnausbau ist es gelungen – außerhalb des städtischen Haushalts – mit Genehmigung der Regierung – ein Sondervermögen zu bilden, sodass der städtische Haushalt nicht massiv belastet wird. Ja, warum gelingt dies nicht bei den Schulen? Warum hier nicht ein Sondervermögen andenken? Warum denkt man hier nicht in diese Richtung? Und wenn diese Idee des Sondervermögens als Stadt eine Nummer zu groß ist – dann als Metropolregion – oder im Städtetag auf den Weg bringen – die bayerische Regierung herausfordern. Die Stadt Bamberg steht nicht alleine mit dem schulischen Sanierungsstau. Das bedeutet aber politische Initiative und Auseinandersetzung.

Wir Grüne haben das politische Kämpfen in den Genen – wir werden es angehen – es versuchen – für unsere Kinder- und Enkelgeneration – für die Zukunft.

Natürlich wissen auch wir Grüne, dass wir nur so viel Geld ausgeben können wie wir auch tatsächlich haben und dass Bäume nicht ins Unendliche wachsen können. Doch hierbei wünsche ich mir von einer Stadtpolitik mehr Kreativität und Fantasie, ein Denken über den Tellerrand hinaus, und wenn es nur der Stadtrand ist.

Oft wird der Spruch „Stadt und Land gehen Hand in Hand“ bei Sonntagsreden genannt – doch wenn ich mir die derzeitige Situation betrachte, ist es viel mehr ein Fingerhakeln, mehr gegen- als miteinander.

Wir sollen vieles viel mehr gemeinsam – Stadt und Land – angehen und in einen Wettbewerb der gemeinsamen Ideen und Zukunftschancen eintreten als in einen Wettkampf um die jeweilige Pole Position. Um den Kampf in der Klimawende zu gewinnen, ist es sogar dringend geboten.

Es könnte zum Beispiel die Gründung eines gemeinsamen Zweckverbandes „Klimaschutz“ eine mögliche Lösung sein. Dieser hätte dann die nötigen Mittel, sich den gewaltigen Herausforderungen der kommenden Jahre zu stellen. Mobilität, Energiewende und Klimaschutz muss gemeinsam gedacht und umgesetzt werden. Was bei den Gymnasien und Berufsschulen funktioniert, kann doch auch hier funktionieren.

Wenn wir uns – Stadt und Land – wirklich als gemeinsame Region verstehen, dann muss auch die nachhaltige Entwicklung der regionalen Wirtschaft als gemeinsames Ziel gesehen werden. In letzter Zeit ist viel vom Transformationsprozess – gerade in der Autobranche – gesprochen worden. Dieser Transformationsprozess kann nicht in regionaler Konkurrenz gelingen, das sind wir den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in der Region schuldig. Ja – auch uns geht es um die Sicherheit der Arbeitsplätze. Auch uns liegen die Tausenden Familien, die von diesem Transformationsprozess – gerade in der Autobranche – betroffen sind, am Herzen. Die jeweilige Politik darf aber nicht an der Stadt- bzw. Landkreisgrenze aufhören.

So wie ein Landratsamt mitten in der Stadt seinen Platz gefunden hat, so kann zum Beispiel auch ein Logistikzentrum im Landkreis außerhalb der Stadtgrenze verortet sein. Dort bauen, wo räumliche Kapazitäten vorhanden sind. Dafür müssen keine Wälder gerodet werden, und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wäre es gleich, ob sie 1000 Meter rauf oder runter fahren müssten. Mit einem grünen Landrat und einem grünen Oberbürgermeister wäre hier vieles und noch mehr möglich. Die Stadt Bamberg bekommt jetzt einen Zukunftsrat, eine Idee der Grünen. Das Denken über die zukünftige Entwicklung von Bamberg muss ebenso regional gedacht werden, über die Stadtgrenze hinaus.

Die Haushaltsberatungen fanden in diesem Jahr in einer konstruktiven Atmosphäre statt und ich hatte das Gefühl, man möchte den Grünen entgegenkommen und Ihnen auch etwas geben, einen kleinen Erfolg zumindest. Aber! Wollte man vor den Stadtratswahlen Ruhe im Karton bekommen, uns einlullen oder gar die Bereitschaft zeigen, wir – die Stadtspitze – bewegt sich auf die Grünen zu, zumindest in kleinen Schritten? Wenn dem so wäre, dann wäre noch gigantisch viel Luft nach oben.

Ja sicher, auch wir freuen uns, dass die ersten Gelder auf unsere Initiative hin für die Gestaltung des Maxplatzes eingestellt worden sind, um gemeinsam mit dem Bürgerverein Mitte einen Flachbrunnen entwickeln zu können. Wir freuen uns, dass auf unsere Initiative hin der Leinritt zwischen Unterer Brücke und Markusbrücke vorerst attraktiviert wird, bis die Generalsanierung kommt. Ja, sicher freut es uns, dass brachliegendes Gärtnerland mit städtischer Unterstützung zu Blühflächen umgebaut werden soll, und dass die Stadt ihren Beitrag leistet zu einer Kampagne zur Müllvermeidung und zu plastikfreiem Bio-Müll. Doch hinter all den Erfolgen steht, „wenn auch der Landkreis mitmacht“, „wenn die Mittelsperrung aufgehoben wird“, „wenn die Stadt ein Konzept erstellt hat“, wie zum Beispiel beim BambergPass.
Und unser langjähriges Anliegen – der BambergPass als einfache Eintrittskarte für finanzschwache Bürgerinnen und Bürger, um den Zugang zu den Ermäßigungen der Stadt zu erleichtern – wurde wieder nicht angegangen, obwohl es hier nur um ein paar Tausend Euro ging. Aber immerhin soll nun ein Konzept zu seiner Durchführung seitens der Stadt erarbeitet werden.

Dass dieser Haushalt 2020 nicht der große Wurf sein wird, der gerade jetzt gesellschaftlich notwendig ist, – ja sein kann – war voraussehbar. Die großen gesellschaftlichen Fragen zur Klima- und Mobilitätspolitik, zur Schul- und Generationenpolitik haben nicht den Stellenwert bekommen, der jetzt zeitgemäß wäre. Dazu braucht es erst neue Konstellationen nach der Kommunalwahl.

Dem Kämmerer kann man nichts vorwerfen – er hatte seine Aufgabe zuverlässig und beeindruckend gelöst, aber er ist an politische Vorgaben gebunden, er ist Diener von 44 Stadträtinnen und Stadträten. Wir vergessen immer, das ist nicht der Haushalt des Kämmerers, sondern des Stadtrats. Im Stadtrat gehört angesetzt, hier muss Politik für die Zukunft gemacht werden.

Tausende Jugendliche und junge Menschen gehen auf die Straße, um für den Klimawandel zu demonstrieren, und wir verschieben wichtige Entscheidungen von einem Umweltsenat auf den anderen.

Tausende Bürgerinnen und Bürger setzten sich mit dem Radentscheid für Fahrradverkehr, für eine neue Mobilität ein, und trotzdem hat man den Eindruck, dass es an ernster Umsetzung seitens der Stadtverwaltung und des Stadtrats mangelt. „Man tut nur so.“ Laut Auskunft des Bundesverkehrsministeriums wurden von der Stadt Bamberg zwischen 2014 und 2019 Null Euro Fördermittel für Radverkehrsprojekte abgerufen. Der Topf ist aber voll.

Tausende Bambergerinnen und Bamberger setzten sich für den Hauptsmoorwald ein, und uns Grünen werden noch immer diese Entscheidungen, die wir gerne unterstützt haben, um die Ohren geworfen.

So kann man es auch leicht verstehen, dass es ein neues Begehren gibt. Das Begehren für den Mietenstopp. Das Ausmaß fehlender bezahlbarer Wohnungen nimmt dramatische Formen an. Bürgerinnen und Bürger fühlen sich mit ihren Anliegen nicht mehr ernst genommen. Vertrauen in die Politik ging verloren.

Noch sind es friedliche Bürgerbegehren, noch sind es friedliche Demonstrationen und Kundgebungen. Wenn wir nicht acht geben, dann haben wir Gelbwestenproteste auch in Deutschland, in Bamberg.
Für uns Grüne sind das Gemeinwohl, der soziale Frieden und ein demokratisches Miteinander starke Fundamente der grünen Politik. Ich gehe davon aus, dass in diesen Punkten Konsens herrscht.

Trotz aller Solidität des geplanten Haushalts, trotz aller Anstrengung es allen hier im Stadtrat recht zu machen – können wir dem Haushalt nicht zustimmen. Viele Bürgerinnen und Bürger erwarten sich eine große Wende in der Stadtpolitik, erwarten sich ein deutliches Annehmen der großen Aufgaben für die Zukunft. Eine Zustimmung wäre ein Signal der Grünen für das „weiter so“. Unser Signal heißt aber – Aufbruch, endlich Zukunft.

Wir alle ahnen: Die kommenden Wahlen werden eine Zäsur sein – eine neue intensive Herausforderung, der wir uns gerne stellen werden, zum Wohle der Menschen, zum Wohle der Stadt. Lasst uns streiten über die Sache – heftig und intensiv, lasst uns dies aber im Sinne von Wertschätzung und mit Würde vor dem Gegenüber tun, für die Menschen mit und ohne Migrationshintergrund, für die Menschen aller Lebenslagen in unserer Stadt. Die Zusammensetzung des künftigen Stadtrates wird in der kommenden Periode eine merklich andere sein.

Wir, und hier spreche ich für unsere Fraktion, haben uns in den vergangenen 6 Jahren ehrlich und mit Überzeugung sachlich voll und ganz für Bamberg eingesetzt. Wir haben genervt, gestritten, gekämpft und mit Ihnen auch öfters gelacht. Sicherlich wurden wir auch enttäuscht und haben uns auch geärgert, aber wir hatten auch unsere Erfolge, wenn ich an die Sozialklausel beim Wohnungsbau denke, auch wenn sie mit 20% zu gering ist, oder an die Zweckentfremdungssatzung. Wir haben unsere Aufgabe gerne wahrgenommen und werden es bis zum Ende der Periode noch weiter tun. Wie es aber danach weiter geht, entscheidet der höchste Souverän der Stadt, die Wählerinnen und Wähler.

So bleibt mir noch, den Bambergerinnen und Bambergern, Ihnen Herr Oberbürgermeister Starke, den Bürgermeistern Dr. Lange und Metzner, den Referenten, allen voran Kämmerer Herrn Felix und seinem Team, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Stadtverwaltung und städtischen Beteiligungen, Töchtern und Söhnen sowie Ihnen, werte Kolleginnen und Kollegen des Bamberger Stadtrates ein gesegnetes, geruhsames Weihnachtsfest und vor allem ein gesundes neues Jahr zu wünschen.

Die nächsten Stadtratssitzungen sind in weiser Voraussetzung nur spärlich angesetzt – dem Wahlkampf geschuldet – das ist gut so – die Luft ist raus. Möge das Jahr 2020 ein für die Stadt Bamberg gutes Jahr werden.“

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